Stadtgeschichtliche Blogs in der Wissenschaftskommunikation

Stadtgeschichtliche Blogs in der Wissenschaftskommunikation

Organisatoren
Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung (GSU); Ludwig-Maximilians-Universität München
Ort
München
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
15.07.2022 - 15.07.2022
Von
Julia Ziegler, Institut für Zeitgeschichte, München/Berlin

Geschichtswissenschaftliche Blogs erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Zunehmend bloggen Forschungseinrichtungen, Archive, Museen und andere wissenschaftliche Institutionen über aktuelle Themen und Projekte. Oftmals bieten sie auch externen Forschenden die Möglichkeit, (Teil-)Ergebnisse ihrer Arbeiten rasch und barrierefrei digital zu publizieren. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Wissenschaftskommunikation. Zur Auseinandersetzung mit stadtgeschichtlichen Blogs, die eine Teildisziplin dieses relativ jungen Feldes darstellen, lud das Redaktionsteam von „Stadtgeschichten“, einem Blog der Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung (GSU), in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München Forschende von Hochschulen und Akteure aus dem Kulturbetrieb zu einem Austausch ein.

Die Intention des Workshops war es, gemeinsam darüber zu diskutieren, welche Zielgruppen verschiedene Formen des Bloggens erreichen und wie Formate zu spezifisch stadtgeschichtlichen Themen weiterentwickelt werden können. Im Vordergrund standen Fragen nach Zielen der Blogs und ihren Rahmenbedingungen, Adressaten und Reichweiten, Themenfindungen und Akquirierung der Beiträge sowie Querverbindungen zu anderen Publikationsformen. Auch Probleme und Herausforderungen beim Bloggen und die Anerkennung der Tätigkeit im Arbeitsumfeld sollten diskutiert werden.

Aufgrund ihrer lokalen Relevanz sind stadtgeschichtliche Themen besonders geeignet, digitale Formate zur Publikation zu nutzen. Als Erweiterung der fachwissenschaftlichen Zeitschriften haben Blogs das Potential, das große gesellschaftliche Interesse und die hohe Nachfrage nach Themen der Stadtgeschichte zu decken, und können innerhalb der Forschungslandschaft neue Impulse setzen, wie SEBASTIAN HAUMANN (Antwerpen) in seinem Einführungsbeitrag betonte. Aufgrund aktuell mangelnder institutioneller Absicherung der wissenschaftlichen Disziplin Stadtgeschichte bei gleichzeitig verstärktem öffentlichen Interesse können Blogs eine Brückenfunktion einnehmen und dieses Ungleichgewicht abmildern. Daran anschließend, verwies DANIELA HETTSTEDT (München) auf das besondere Potential von Blogs, Stadtgeschichte neu darzustellen und etablierte Publikationsmedien zu ergänzen, auch um die dortigen Hierarchien aufzubrechen. OLGA SPARSCHUH (München) unterstrich, dass Blogs als Schnittstelle von Wissenschaft, Praxis und Öffentlichkeit deshalb auch verschiedene Arten von Publikationen zulassen.

KATHRIN MEISSNER (Berlin) stellte den Blog „Stadtgeschichten“ vor1. Dieser publiziert aktuelle Forschungsprojekte zur Stadtgeschichte, wobei die Beiträge Schwerpunkte in Zeitgeschichte, aber auch in Kultur- und Erinnerungsgeschichte sowie Stadtidentitäten aufweisen. Stadtgeschichtliche Themen sollen noch präsenter werden, ein breites thematisches Spektrum abbilden und den Austausch zwischen Forschenden, aber auch mit der interessierten Öffentlichkeit fördern. In Abgrenzung zu etablierten Publikationsmedien sollen die Blogbeiträge sprachlich und formal nicht zu akademisch wirken, um ein breites und heterogenes Publikum anzusprechen. Ein ähnliches Ziel verfolgt der Blog „Migration erinnern“2. Entstanden aus einem Forschungsprojekt der Universität Gießen und des Stadtarchivs München zur Migration von Gastarbeiter:innen aus Italien nach München spricht der Blog Wissenschaftler:innen der Migrationsgeschichte an und bietet ihnen die Möglichkeit, über ihre Forschungsprojekte zu schreiben. PHILIP ZÖLLS (München) unterstrich auch die Chancen zur Vernetzung über Publikationen auf Blogs.

Das kunsthistorische Forschungsprojekt der Ludwig-Maximilians-Universität München namens Relocating Modernism: Global Metropolises, Modern Art and Exile betreibt den Blog „Metromod“3. Die Internetpräsenz geht über eine gängige Projektwebsite hinaus, denn im Rahmen des Forschungsprojektes veröffentlichen die Wissenschaftler:innen ihre Ergebnisse über Künstler:innen im Exil in Form von Karten des Lebens und Arbeitens in Metropolen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts New York, Buenos Aires, London, Istanbul, Mumbai und Shanghai. HELENE ROTH (München) betonte das Ziel des Blogs, mittels verschiedener Medien und der digitalen Präsentation von Stadtspaziergängen, Blogeinträgen und Archivalien eine visuell ansprechende und dauerhafte Präsentation der Forschungsergebnisse zu schaffen und damit auch den Elfenbeinturm Wissenschaft ein Stück weit zu verlassen.

Eine institutionalisierte Form des Bloggens findet sich bei „MARCHIVUM“4. Wie ANDREAS SCHENK (Mannheim) berichtete, fungiert der Blog als eine Säule der Vermittlungsarbeit des Mannheimer Stadtarchivs, womit Autor:innen stadtgeschichtliche Themen und Zusammenhänge in Abgrenzung zu den klassischen Wissenschaftspublikationen niedrigschwellig vermitteln können. Um Quellensicherung und Erinnerung geht es auch beim österreichischen, aber mittlerweile international agierenden Onlineprojekt „Topothek“5. Durch Sammlung, Erschließung und Sicherung von privaten Quellen wird lokales Kulturgut der Öffentlichkeit auf digitalem Weg zugänglich gemacht. Als Adressaten betreiben die teilnehmenden Kommunen das digitale Archiv, wie ALEXANDER SCHATEK (Wiener Neustadt) betonte.

Über das Thema der stadtgeschichtlichen Blogs hinausgehend, kann auch das Medium Podcast eine Brücke zwischen der Wissenschaft und öffentlichen Geschichtsinteressen bieten. In seinem Projekt „Anno …“6 geht PHILIPP JANSSEN (Berlin) regelmäßig in den Dialog mit Historiker:innen und gibt ihnen Gelegenheit, eigene Forschungen vorzustellen. In jeder Folge steht ein Gespräch über die Erschließung von Quellen, den Umgang mit Zeitzeug:innen, die Darstellung von Argumentationsmustern und anderen methodischen Themen im Mittelpunkt.

Die Tagung demonstrierte die vielfältigen Möglichkeiten der Geschichtsvermittlung und Quellensicherung über digitale Plattformen. Blogs bieten vor allem Nachwuchsforschenden die Möglichkeit zu Publikationen und Vernetzung. Gleichzeitig leisten die vielfältigen Texte auf stadtgeschichtlichen Blogs einen Beitrag, die lokalen und überregionalen Interessen an Stadtgeschichte zu decken. MATHIAS IRLINGER (München) wies darauf hin, dass Blogbeiträge auch zur aktuellen erinnerungspolitischen Debatte beitragen können. Anders als bei Aufsätzen in Zeitschriften können Autor:innen in Blogbeiträgen schneller auf tagesaktuelle Debatten reagieren. Besonders junge Wissenschaftler:innen können mit dem digitalen Medium die eigene Forschung stärker sichtbar machen. Umgekehrt ist allerdings die Anerkennung der Internetpublikation innerhalb der Wissenschaftslandschaft verbesserungswürdig. Sie stellt eines der Hauptprobleme bei den meist aufwendigen Blogprojekten dar und zieht zuweilen auch Schwierigkeiten bei der Akquise von Beitragenden nach sich. Die Redaktionsteams sind meist heterogene Gruppen mit differierender institutioneller Anbindung und individuellen Beweggründen und Motiven für ihre ehrenamtliche Tätigkeit, wie MAŁGORZATA POPIOŁEK-ROSSKAMP (Erkner) betonte. Zudem stellte ANSGAR SCHANBACHER (Leipzig) heraus, dass Fragen der Nachhaltigkeit von Websites in Zukunft noch weiterer Klärung bedürfen.

Konferenzübersicht:

Einführung

Sebastian Haumann (Universität Antwerpen), Daniela Hettstedt (Ludwig-Maximilians-Universität München), Olga Sparschuh (Technische Universität München)

Sektion 1
Moderation: Mathias Irlinger (Institut für Zeitgeschichte München-Berlin)

Kathrin Meißner (Technische Universität Berlin): Stadtgeschichten

Philip Zölls (Stadtarchiv München): Migration erinnern

Philipp Janssen (Berlin): Anno …

Sektion 2
Moderation: Ansgar Schanbacher (Georg-August-Universität Göttingen)

Helene Roth (Ludwig-Maximilians-Universität München): Metromod

Andreas Schenk (Stadtarchiv Mannheim): MARCHIVUM

Alexander Schatek (Wiener Neustadt): Topothek

Abschlussdiskussion
Moderation: Małgorzata Popiołek-Roßkamp (Institut für Raumbezogene Sozialforschung Erkner)

Anmerkungen:
1https://stadthist.hypotheses.org (21.10.2022).
2https://migrer.hypotheses.org (21.10.2022).
3https://metromod.net (21.10.2022).
4https://www.marchivum.de/de/blog (21.10.2022).
5https://www.topothek.at/de (21.10.2022).
6https://anno-punktpunktpunkt.de (21.10.2022).

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